Halogenierte Kohlenwasserstoffe

Kohlenwasserstoffe sind eine der zahlreichsten Gruppen von Verbindungen in der organischen Chemie. Sie bestehen hauptsächlich aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen, die miteinander verbunden eine Kette bilden. Liegen zwischen ihnen instabile ungesättigte Bindungen, d.h. Doppel- oder Dreifachbindungen, vor, so führt die Anlagerung eines Moleküls, das ein Element der Gruppe 17 des Periodensystems enthält, zur Bildung eines Halogenderivats. Angesichts der Vielzahl von Derivaten, die gebildet werden können, unterscheiden sich die Halogenderivate sowohl in ihrer Molekularstruktur als auch in ihren Eigenschaften. Einige von ihnen spielen eine wichtige Rolle im täglichen Leben.

Veröffentlicht: 28-08-2023

Allgemeine Merkmale

Halogenierte Kohlenwasserstoffe entstehen durch den Anschluss von Halogenatomen an das Molekül einer organischen Verbindung. Die Elemente der 17. Gruppe des Periodensystems, die an solchen Reaktionen beteiligt sind, sind Chlor, Brom, Jod oder Fluor. Die entstehenden Verbindungen werden oft als Halogenkohlenwasserstoffe bezeichnet. Je nach der Anzahl der Halogenatome im Molekül unterscheidet man zwischen mono-, di-, tri- und polyhalogene Verbindungen. Zu beachten ist, dass auch chemische Verbindungen, die nur aus einer Kohlenstoffkette und daran gebundenen Halogenen bestehen, zu den halogenierten Kohlenwasserstoffen gehören. Je nach „Basis“-Kohlenwasserstoff wird unterschieden zwischen:

  • Halogenierte gesättigte Kohlenwasserstoffe – diese Verbindungen werden von den entsprechenden Kohlenwasserstoffen abgeleitet, indem ein oder mehrere Wasserstoffatome durch Elemente der 17. Gruppe des Periodensystems ersetzt werden.
  • Halogenierte ungesättigte Kohlenwasserstoffe – bei ungesättigten Kohlenwasserstoffen, d.h. solchen mit einer Doppel- oder Dreifachbindung, wird das Halogenmolekül addiert. Die ungesättigte Bindung wird aufgebrochen und Halogenatome oder Wasserstoff- und Halogenatome werden an die Kohlenstoffatome gebunden.
  • Halogenierte aromatische Kohlenwasserstoffe – diese Verbindungen entstehen durch die Reaktion eines Benzolrings und der entsprechenden Halogene. In Benzol werden ein bis sechs Kohlenstoffatome substituiert, um Kohlenstoff-Halogen-Bindungen zu bilden.

Darüber hinaus weisen die meisten Halogenderivate Isomerie auf, die mit der unterschiedlichen Position des Halogenatoms im Molekül zusammenhängt. Je länger die Kohlenstoffkette ist, desto größer ist die Anzahl der möglichen Kombinationen, die gebildet werden können. Im Zusammenhang mit den Halogenkohlenwasserstoffen ist auch das Konzept des Substitutionsgrades der Kohlenstoffatome verbunden. Unter Berücksichtigung dieses Kriteriums wird zwischen primären, sekundären und tertiären Kohlenstoffatomen unterschieden. Die Kenntnis des Substitutionsgrades ist in der organischen Chemie von Bedeutung, da sie eine Vorhersage der Eigenschaften und der Reaktivität von chemischen Verbindungen ermöglicht.

Gewinnung und Eigenschaften

Gewinnung

Halogenderivate können auf verschiedene Weise gewonnen werden. Die Wahl der Herstellungsmethode hängt von den Substraten und der Ausbeute des gesamten Prozesses ab. Die grundlegenden Methoden zur Gewinnung dieser Verbindungen sind im Folgenden aufgeführt:

  • Reaktion der radikalischen Substitution – findet unter dem Einfluss von Licht oder Wärme statt. Sie ist eine der grundlegenden Methoden zur Gewinnung von Halogenkohlenwasserstoffen und wird hauptsächlich zur Gewinnung von Methanderivaten eingesetzt. Die radikalische Substitution findet hauptsächlich in Anwesenheit von Chlor statt.
  • Reaktion von Halogeniden mit ungesättigten Kohlenwasserstoffen – bei diesem Prozess erfolgt die Addition eines Halogenid- oder Hydridmoleküls des entsprechenden Elements der 17. Gruppe des Periodensystems an die ungesättigte Bindung im Kohlenwasserstoff.
  • Elektrophile Substitution aromatischer Kohlenwasserstoffe – dient der Bildung von Halogenderivaten, die einen Benzolring im Molekül enthalten. Die Reaktion wird in Anwesenheit eines Katalysators durchgeführt.
  • Reaktion von Halogeniden mit Alkoholen – ein Halogenhydridmolekül wird an ein Alkoholmolekül gebunden. In der Regel handelt es sich dabei um HCl oder HBr. Bei dieser Reaktion wird die Hydroxylgruppe durch ein Chloratom bzw. ein Bromatom ersetzt (Beispiel für eine Substitutionsreaktion). Das Nebenprodukt ist ein Wassermolekül.

Zu den am häufigsten betrachteten Derivaten gesättigter Kohlenwasserstoffe gehören Halogenmethanderivate, insbesondere Derivate mit Chlormolekülen. Die Bindung dieses Elements ist ein Beispiel für eine durch Sonnenlicht ausgelöste Reaktion der radikalischen Substitution. Methan und Chlor reagieren in der Dunkelheit nicht miteinander. Ein Chloratom verbindet sich mit einem der Wasserstoffatome des Methanmoleküls und bildet Chlormethan und Chlorwasserstoff. Die Reaktion ist in diesem Stadium noch nicht beendet, und ein weiteres Chlormolekül reagiert mit Chlormethan. Die Substitution eines weiteren Wasserstoffatoms durch Chlor führt zu Dichlormethan, das sich im nächsten Schritt in Trichlormethan und Tetrachlormethan übergeht. Letzteres, auch als Tetrachlorkohlenstoff bekannt, ist das Endprodukt der radikalischen Chlorierung von Methan. Eine weitere Reaktion mit Chlor ist nicht mehr möglich. Tatsächlich enthält das Endgemisch bei diesem Prozess alle vier Chlormethane. Ihr Mengenverhältnis hängt von den Bedingungen ab, unter denen die Reaktion abläuft (ihre Trennung erfolgt durch Destillation).

Eigenschaften

Die spezifischen Eigenschaften der einzelnen Halogenkohlenwasserstoffe hängen direkt von der Art der organischen Verbindung (Länge der Kohlenstoffkette, Vorhandensein ungesättigter Bindungen usw.) und der Anzahl der substituierten Halogenatome ab. Generell gilt: Je mehr Halogene im Molekül vorhanden sind, desto höher ist die Dichte und der Siedepunkt einer solchen Verbindung.  Bei Isomeren gilt außerdem: Je stärker verzweigt ein Molekül ist, desto niedriger ist sein Siedepunkt und desto höher ist seine Flüchtigkeit. Am wenigsten aktiv sind Derivate, die ein Chloratom enthalten, aktiver sind solche, die Brom enthalten, und am aktivsten sind Verbindungen mit Jodatomen. Sie alle zersetzen sich bei sehr hohen Temperaturen. Halogenierte Kohlenwasserstoffe sind aufgrund des Vorhandenseins eines stark elektronegativen Elements, wie z.B. Fluor, im Molekül chemisch sehr aktiv. Sie unterliegen Reaktionen wie der elektrophilen Substitution des Fluors.

Wichtigste Beispiele für halogenierte Kohlenwasserstoffe

Vinylchlorid

Vinylchlorid (gebräuchlicher Name), eigentlich Chlorethen oder Chlorethylen, ist ein Reaktionsprodukt der Bindung von Chlorwasserstoff an das Ethylenmolekül in Gegenwart eines Katalysators, hoher Temperatur und hohem Druck. Vinylchlorid ist ein Gas, das wie andere Ethenderivate zur Polymerisation neigt. Das Ergebnis ist eine makromolekulare Substanz, ein Polymer – Polyvinylchlorid, das im Volksmund als PVC bekannt ist. Es ist ein haltbarer und preiswerter Rohstoff mit einer breiten Palette von Anwendungen in Industrie und Gewerbe. Am bekanntesten sind die aus Polyvinylchlorid hergestellten Fenster- und Türenkomponenten. Außerdem wird es unter anderem als Material für Elektro-, Sanitär- und Lüftungsanlagen, als Zusatzstoff bei der Herstellung von Spielzeug, Wandverkleidungen, Isolationsvorhängen, Platten, Werbetafeln, Prothesen im medizinischen Bereich und vieles mehr verwendet.

Freone

Jahrzehntelang wurden Freone (FCKW) in Aerosolen und Kühlsystemen von Kühl- und Gefrierschränken verwendet. Heute ist ihre Verwendung weltweit verboten. Chemisch gesehen handelt es sich um Chlor- und Halogenderivate gesättigter Kohlenwasserstoffe, hauptsächlich Methan oder Ethan. Es sind leicht flüchtige Flüssigkeiten, die beim Wechsel ihres Aggregatzustands viel Wärmeenergie abgeben. Freone sind in Wasser unlöslich und haben keine chemische Aktivität mit anderen Verbindungen. Zu den bekanntesten Freonen gehören Dichlordifluormethan und 1,1,1,2-Tetrafluorethan. Nach jahrelanger intensiver Verwendung von Freonen in der Haushaltschemie hat sich gezeigt, dass sie die Ozonschicht zerstören, deren Verlust die Gefährdung durch die Sonneneinstrahlung erhöht. Diese Verbindungen sind für 14 % des Treibhauseffekts verantwortlich. Leider sind FCKW-Moleküle persistent und können bis zu 130 Jahre lang in der Atmosphäre verbleiben.

Chlorbenzol

Unter den Halogenderivaten der aromatischen Kohlenwasserstoffe, die für die Industrie von großer Bedeutung sind, ist zum Beispiel das Chlorbenzol zu nennen. Es wird durch Chlorierung des Benzolrings mit Chlor in Gegenwart von Eisen, das den Prozess katalysiert, gewonnen. Chlorbenzol ist eine farblose, hochflüchtige, gut wasserlösliche Flüssigkeit mit einer Vielzahl von Anwendungen in der chemischen Industrie.  Die Verbindung ist ein Schlüsselsubstrat für die Herstellung von Agrochemikalien, insbesondere von Herbiziden, Fungiziden und anderen Pflanzenschutzmitteln. Die chemische Industrie setzt Chlorbenzol gerne in der Kunststoffindustrie ein, wo es als Antioxidationsmittel für Kautschuk oder als Zusatzstoff bei der Herstellung von Polyanilin verwendet wird. Weitere Verwendungsmöglichkeiten von Chlorbenzol sind die Herstellung von Farbstoffen, pharmazeutischen Wirkstoffen (so genannten APIs), Lösungsmitteln und chemischen Verbindungen.

Tetrachlorometan

Tetrachlormethan (Tetrachlorkohlenstoff) ist ein vollständig chloriertes Derivat von Methan. Es gehört zur Gruppe der Halogenalkane. Bei Raumtemperatur ist es eine farblose Flüssigkeit mit einem süßlichen Geruch. Es ist nicht brennbar. Es löst sich schlecht in Wasser, aber sehr gut in organischen Lösungsmitteln. Bisher wurde es in großem Umfang als Lösungsmittel verwendet, insbesondere in der chemischen Industrie. Die Verbindung ist hochgiftig und gefährlich für die Umwelt. Aus diesem Grund wird seit einigen Jahren versucht, die Verwendung von Tetrachlorkohlenstoff deutlich zu reduzieren. Heutzutage findet man es in der Zusammensetzung von Produkten wie Lösungsmitteln, Reinigungs- und Waschmitteln oder Feuerlöschflüssigkeiten (insbesondere zum Löschen brennender Erdölprodukte).


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