Jede Medaille hat zwei Seiten, die Wurst hat zwei Enden und die Erde hat zwei Pole. Ähnlich verhält es sich mit der Farbe Grün, die im Laufe der Jahrhunderte stets eine doppelte Symbolik – Leben und Tod – hatte...
Grün bringt man mit Vegetation, Natur, Hoffnung, Harmonie, Freiheit und Ökologie in Verbindung. Ein Grünton gemischt mit Blau, also „mintgrün“, vermittelt ein Gefühl von Frische, Zufriedenheit und Entspannung. Das Grün der Pflanzen spiegelt die Erneuerung des Lebens wider und ist ein Symbol für die unerschöpflichen Gaben der Natur.
„Grün ist die Farbe der Hoffnung und unserer Verbindung mit der Natur. Grün ist Lebensbejahung, die uns den Mut gibt, nach vorne zu schauen“, schrieb Leatrice Eiseman, Geschäftsführerin des Pantone-Instituts, 2017 über die Farbe Grün.
Das tödliche Grün des 19. Jahrhunderts
Ihrer größten Beliebtheit erfreute sich die Farbe Grün im 19. Jahrhundert. Damals wurde sie zur Modefarbe, ja sogar dominierenden Farbe in den Salons des Adels. Die Damen des europäischen Adels waren verliebt in Grün und trugen stolz reich verzierte Kleider in den verschiedensten Grüntönen. Und grün dominierte nicht nur bei Textilien. Es wurde auch zur angesagtesten Farbe für Innenraumgestaltung, Dekorationsartikel, Geschirr und verschiedene andere Wohnaccessoires.
Doch leider erwies sich diese Mode für viele Grün-Liebhaber als tödlich. Das Problem war, dass die zum Färben der Fasern und Stoffe verwendeten Farbstoffe giftige Substanzen enthielten.
Die beiden damals am häufigsten verwendeten chemischen Verbindungen waren „Scheeles Grün“ und „Paris-Grün“. Untersuchungen für das Jahr 1890 bestätigten, dass etwa 20 % der Textilerzeugnisse beträchtliche Mengen dieser Stoffe enthielten. In einer Probe grün gefärbten Musselins wurden mehr als vier Gramm „Scheeles Grün“ pro Quadratmeter Stoff festgestellt.
Grüner Tod im Ballkleid
Zunächst ahnte niemand etwas von den Ursachen der häufigen Ohnmachtsanfälle, Gesundheitsprobleme und der zunehmenden Zahl von Todesfällen in der Aristokratie. Alles begann 1775, als Carl Wilhelm Scheele, ein Chemiker und Apotheker schwedischer Herkunft, ein wundervolles Pigment mit einer bestechenden grünen Farbe erfand. Es wurde aus einer Mischung von Kupfersulfat, Kaliumkarbonat und Arsenoxid hergestellt. Einige Bestandteile waren also giftig.
Unglücklicherweise schlug die optische Wirkung dieser Erfindung ein wie eine Bombe. Der neue, giftige Farbstoff hatte eine so schöne, unvergleichliche Farbe, dass er sofort zum begehrtesten Modehit wurde und den Beinamen „Schwedengrün“ oder „Scheeles Grün“ erhielt.
Arsenik ist für den Menschen schon bei einer Dosis ab 10 mg giftig. Etwa 70 mg reichen aus, um den Tod herbeizuführen. Dass die Damen in den Salons umfielen wie die Fliegen, lag also nicht allein am Volumen ihrer Kreationen aus meterlangen Stoffen, mehreren Schichten von Unterwäsche und engen Korsetts.
Das Europa des 19. Jahrhunderts schwamm mit dem Strom des grünen Hypes, ohne sich der tragischen Folgen bewusst zu sein. Die Faszination für das tiefe Schwedengrün modischer Kleider, Seidenstrümpfe, Spielzeuge, Vorhänge, Teppiche, Tapeten und sogar Süßwaren forderte einen hohen Tribut. Niemand konnte sich vorstellen, dass der schöne grüne Farbstoff die Ursache für Ohnmacht, Krankheit und Tod sein könnte und dass sogar eine einfache Dessert-Dekoration in Form grüner Blätter aus Zucker zur tödlichen Falle werden könnte.
Sowohl Erwachsene als auch Kinder wurden Opfer der farbenfrohen gastronomischen Meisterwerke und Alltagsgegenstände. Die Schaufenster zeigten stolz Zuckertiere, die auf mit grünem Arsen gefärbtem Kunstgras drapiert waren. Die Regale der Geschäfte bogen sich unter dem Gewicht in eleganten grünen Kartons verpackter Lebensmittel. Wer die Mode ignorierte oder auf Süßigkeiten verzichtete, war jedoch keineswegs gegen die Wirkung des Arseniks gefeit. Grüne Vorhänge, gemusterte Tapeten oder grüne Kerzen, die beim Abbrennen das giftige Arsen freisetzten, reichten aus. Der Fluch des im satten Grün verborgenen Gifts breitete sich auf alle Lebensbereiche aus.
Stoppt die grüne Welle!
Die ersten Hinweise darauf, dass die grünen Farbstoffe schädlich sind, tauchten bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Die Presse beschrieb die makabren Auswirkungen von Arsen sehr anschaulich. Das wunderbare Grün wurde von der Zeitschrift „Punch“ als „Farbton des Todes“ gebrandmarkt, und auf Werbeplakaten wurden den Verbrauchern „arsenfreie“ Produkte empfohlen.
Doch es sollte noch lange dauern, bis alle Risiken der Verwendung des grünen Farbstoffs bekannt waren. Bevor sich das Wissen um die toxische Wirkung von Arsenpigmenten in der Welt verbreiten konnte, hatte das giftige Grün schon viele Menschenleben ausgelöscht.
Als der Zusammenhang zwischen dem magischen Grün und dem Tod klar wurde, verschwand die Farbe aus den Modetrends und allen anderen Lebensbereichen in Europa und weltweit. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war grüne Kleidung dann geradezu „out“.
Woraus bestehen grüne Farbstoffe heute?
Heute können grüne Farbstoffe, die in der Industrie und bei der Herstellung verschiedener Produkte verwendet werden, je nach Verwendung und Eigenschaften unterschiedliche chemische Zusammensetzungen aufweisen. Generell lassen sich grüne Farbstoffe in zwei Hauptkategorien einteilen: natürliche und synthetische. Folgende Grün-Farbstoffe werden in der Industrie häufig verwendet:
Natürliche grüne Farbstoffe:
Chlorophyll: Ein natürlicher grüner Farbstoff, der in Pflanzen vorkommt. Es wird als Lebensmittelfarbstoff verwendet.
Curcumin: Ein natürlicher Farbstoff aus der Kurkumawurzel. Er wird häufig beim Kochen verwendet, um Gerichten eine grüne Farbe zu verleihen.
Spirulina: Eine mikroskopisch kleine Alge, die eine Quelle eines natürlichen grünen Farbstoffs ist. Wird hauptsächlich für Lebensmittel verwendet.
Synthetische grüne Farbstoffe:
Chlorophylline: Synthetische grüne Farbstoffe, die aus Chlorophyll gewonnen werden. Sie werden in der Lebensmittelindustrie verwendet, insbesondere zum Färben von Lebensmitteln.
Grüne Azofarbstoffe: Synthetische Azofarbstoffe, die ein grünes Pigment enthalten, kommen in der Textilindustrie und vielen anderen Bereichen zur Anwendung.
Grüne Anthrachinon-Farbstoffe: Synthetische organische Farbstoffe, die für eine Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden können.
Zu beachten ist, dass die chemische Zusammensetzung grüner Farbstoffe recht komplex sein kann und sie mehrere chemische Verbindungen enthalten können, um ihnen die gewünschte Farbe zu verleihen. Darüber hinaus kommen grüne Farbstoffe in verschiedenen Bereichen wie Lebensmittel, Pharmazeutika, Kosmetika, Textilien und anderen Branchen zur Anwendung, sodass sie je nach Zweck unterschiedliche Zusammensetzungen haben können. Es empfiehlt sich, das Produktetikett oder die technischen Spezifikationen zu konsultieren, um mehr über einen bestimmten grünen Farbstoff und seine Zusammensetzung zu erfahren.
Auch einige der heute auf dem Markt befindlichen grünen Substanzen oder Farbstoffe können aufgrund der chemischen Bestandteile, die zur Erzielung der grünen Farbe verwendet werden, giftig sein. Besonders schädlich sind solche, die auf Chrom, Kupfer oder Arsen basieren. Chromgrün (chromium green) zum Beispiel enthält Chrom, das gesundheitsschädlich sein kann. Es kommt hauptsächlich in Form von Blei- oder Chrom(VI)-Salzen vor.
Auch in Produkten wie Farben oder Lebensmittelfarbstoffen kann die grüne Färbung mit Farbstoffen erzielt werden, die schädliche Substanzen enthalten. Sie können unter anderem allergische Reaktionen verursachen.
Am Markt werden auch grüne Fluoreszenzfarbstoffe angeboten, die z. B. für Forschungszwecke verwendet werden. Sie werden aber auch verwendet, um Teile bestimmter Spielzeuge zu färben. In diesem Fall ist besondere Vorsicht geboten, da fluoreszierende Farbstoffe schädlich sein können, wenn sie verschluckt werden oder auf die Haut gelangen.
Grün ist schön und beruhigend, aber manchmal tückisch…
Grün ist die Farbe der Natur, die man unbestreitbar mit dem Leben, mit Gesundheit, Harmonie und Hoffnung assoziiert. Es symbolisiert Wachstum (z. B. den Aktienkurs von Unternehmen an der Börse), Frische (Mintkaugummi) und Naturverbundenheit (das Logo von Animal Planet). Grün steht auch für Sicherheit (z. B. Straßenmarkierungen).
Allerdings war es nicht immer so „grün“. Im Mittelalter galt Grün als Symbol für Unglück, Unheil und alles Böse. Einige der negativen Konnotationen wirken bis heute fort. Grelle, leuchtende Grüntöne werden mit Gift assoziiert, während blasse, gräuliche Grüntöne mit Krankheit in Verbindung gebracht werden.
Grün kann auch für andere weniger positive Eigenschaften stehen. Zum Beispiel für Instabilität und Ungewissheit (das grüne Ahornblatt für Fahranfänger) oder auch für den Zufall (grüne Poker-, Roulette- und Billardtische).
Ohne Zweifel aber lieben wir Grün auch in der Finanzwelt (zum Beispiel den Dollar, den wir in Polen umgangssprachlich „den Grünen“ nennen). Im Grünen zu sein, wirkt beruhigend und vermittelt ein Gefühl von Entspannung und Sicherheit.
Grün ist per Definition eine positive Farbe. Sie ist ganz klar mit Natur, Gesundheit und Vitalität verbunden. Es steigert die Konzentration und reduziert den Stress, aber Vorsicht!
Zwar ist Gelb die Farbe des Verrats, aber auch Grün kann trügerisch sein. Daher ist es wichtig, stets die chemische Zusammensetzung und die Eigenschaften der Chemikalien zu prüfen, die in grün gefärbten Produkten enthalten sind.
Die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen, insbesondere bei Produkten, die mit Lebensmitteln oder der Haut in Berührung kommen können, sollten stets beachtet werden. Es empfiehlt sich zudem, die Sicherheitsvorschriften und -normen für chemische Produkte zu beachten, um eine Exposition gegenüber toxischen Stoffen zu vermeiden.
Quellen:
- Chrisp, P. A History of Fashion and Costume. The Victorian Age, Bailey Publishing Associates Ltd., 2005.
- Emsley J., The Elements of Murder: A History of Poison, Oxford University Press, 2005.
- https://ciekawostkihistoryczne.pl
- https://loungemagazyn.pl
- https://www.photowall.pl/trendy-i-inspiracje/toksyczna-historia-koloru-zielonego-article
- https://cyrekcreative.com/blog/kolor-zielony/