Graphen scheint einer der zukunftssichersten Stoffe zu sein mit einem breiten Anwendungsspektrum im Bereich der neuen Technologien. Für seine Erfindung erhielten Andre Geim und Konstantin Novoselov 2004 den Nobelpreis für Physik. Das internationale Projekt „Graphene Flagship”, das von der Europäischen Union initiiert wurde, soll weitere kommerzielle Anwendungen dieser ungewöhnlichen Struktur entwickeln.
Graphen – was ist das und woher kommt es
Der bahnbrechende Charakter von Graphen liegt vor allem in seiner Zweidimensionalität. Physikalisch gesehen handelt es sich um eine Schicht aus einzelnen Kohlenstoffatomen, die in einem sechseckigen Muster angeordnet sind, das optisch einer Bienenwabe ähnelt. Graphen ist also eine allotrope Variante von Kohlenstoff.
Bereits in den 1940er Jahren entwickelte Phillip Russel Wallace ein theoretisches Konzept zur Schaffung einer einatomigen Kohlenstoffstruktur. Dieses Konzept wurde jedoch von den meisten Wissenschaftlern viele Jahre lang abgelehnt. Erst nach sechs Jahrzehnten war es möglich, es in ein reelles, greifbares Material zu verwandeln.
Dem Duo Geim und Novoselov von der Universität Manchester gelang es, Graphen aus einem Graphitbrocken zu isolieren: Mit Hilfe von Klebeband trugen sie Kohlenstoffatome auf eine Schicht aus Siliziumdioxid (SO2) über. Siliziumdioxid spielte bei diesem Prozess eine wichtige Rolle – es isolierte die elektrisch neutrale Graphenschicht. Diese Methode wird derzeit nur in geringem Umfang zu Forschungszwecken eingesetzt.
Einzigartige Eigenschaften von Graphen
Warum fasziniert diese hauchdünne Schicht aus Kohlenstoffatomen die Welt der Wissenschaft? Es hat sich herausgestellt, dass Graphen extrem gut Wärme und Elektrizität leitet. Außerdem zeichnet es sich durch einen geringen aktiven Widerstand aus. In dieser Hinsicht konkurriert es mit Kupfer und Silizium.
Bei Raumtemperatur weisen Graphen-Elektronen eine Beweglichkeit auf, die bei anderen Materialien nicht vorkommt. Die hohe Flussgeschwindigkeit ihrer Elektronen, die 1/300 der Lichtgeschwindigkeit erreicht, eröffnet interessante Möglichkeiten für den Einsatz von Graphen in der Diagnostik.
Graphen ist außerdem nahezu transparent – es absorbiert 2,3 % von weißem Licht. Sowohl sein elektrisches, als auch optisches Potential, sind also einzigartig. Trotz seiner extrem dünnen Struktur ist Graphen bis zu 100 Mal stärker als Stahl. Gleichzeitig behält es ein hohes Maß an Flexibilität (bis zu 20%ige Dehnbarkeit in Länge oder Breite).
Eine Membran aus oxidiertem Graphen ist völlig undurchlässig für Gase, aber zugleich durchlässig für Wasser. Daher kann sie für die Filtration verwendet werden. Hervorzuheben sind auch die antibakteriellen Eigenschaften des Materials.
Zukunftssicheres Graphen – Anwendungen in verschiedenen Branchen
Die elektronischen, optischen, thermischen und mechanischen Eigenschaften von Graphen haben die Tür zu vielen praktischen, kommerziellen Anwendungen geöffnet. Diese werden sich nach Einschätzung von Experten in den kommenden Jahrzehnten dynamisch entwickeln.
Schon heute gilt Graphen als Nachfolger von Silizium in der Elektronik. Als transparenter und flexibler Leiter kann es für die Herstellung von Solarzellen, aufrollbaren Bildschirmen und Touchscreens sowie LED-Leuchten verwendet werden. Außerdem erhöht es deutlich die Frequenz von elektromagnetischen Signalen, was die Herstellung schnellerer Transistoren ermöglicht.
Auch Sensoren aus Graphen stoßen auf großes Interesse. Dank ihrer außergewöhnlichen Empfindlichkeit können sie einzelne Moleküle gefährlicher Stoffe entdecken. Sie erleichtern somit die Überwachung der Umwelt. In der Luft verteiltes Graphenoxid hat auch die Fähigkeit, radioaktive Schadstoffe zu beseitigen.
Die Aussichten auf die Entwicklung neuer Produkte mit Graphen steigen von Jahr zu Jahr. Zu den Anwendungen mit dem größten Potenzial gehören heutzutage:
- moderne Stromnetze;
- energiesparende Lichtquellen;
- Halbleiter, die in spintronischen Geräten verwendet werden;
- wirksamere Korrosionsschutzbeschichtungen;
- Wasserfiltration zur Reinigung und Entsalzung;
- optoelektronische Kommunikationssysteme.
Darüber hinaus gibt es Spekulationen über die künftige Verwendung von Graphen zur Herstellung leichterer und haltbarerer Bauteile für Autos, Flugzeuge sowie Raumfahrzeuge und Raumfahrtgeräte. In Kombination mit künstlichen Materialien (z. B. Kautschuk) könnte so z. B. wärmeleitendes Gummi entstehen. Auf der Grundlage von Graphen wurde auch äußerst starkes, elektrisch leitfähiges Papier entwickelt.
Biokompatibles Graphen – medizinische Anwendungen
Erwähnenswert ist auch die Einsatzmöglichkeit von Graphen in der Biomedizin, sowohl für diagnostische als auch therapeutische Zwecke. Als Arzneimittelträger zeichnet sich Graphenoxid durch hohe Biokompatibilität und hervorragende Löslichkeit aus. Dies ermöglicht eine genaue Dosierung von entzündungshemmenden und krebsbekämpfenden Wirkstoffen sowie von Enzymen und Mineralstoffen.
Die Tatsache, dass Graphen Wärme perfekt leitet, wird auch zur Zerstörung von Tumoren genutzt. Thermoläsion ist ein Verfahren, im dem von Graphen gespeicherte Wärme zur Schmerzlinderung in Geweben genutzt wird. Die Produktion von beheiztem medizinischem Zubehör und Kleidung wird bereits entwickelt.
Graphenblätter werden auch als Biosensoren verwendet: Sie werden in tragbaren Geräten zur Diagnose von Krebskrankheiten und neurologischen Krankheiten (z. B. Epilepsie oder Parkinson) eingesetzt. Die von Polen entwickelte Graphen-Sonde kann EKG-Untersuchungen revolutionieren, indem sie Messungen direkt am Herzen ermöglicht.
Die antibakteriellen Eigenschaften von Graphen bieten auch die Möglichkeit, das Problem von zunehmender Unempfindlichkeit von Bakterien gegenüber Antibiotika zu lösen. Graphen kann als Grundlage für die Entwicklung von Wirkstoffen zur topischen Infektionsbekämpfung und Wunddesinfektion verwendet werden.
Die Möglichkeit, Graphen in der Gewebezüchtung einzusetzen, ist vielversprechend. Das innovative Kohlenstoffgerüst ist mechanisch extrem belastbar. Forschungen zeigen, dass es die Differenzierung der Stammzellen beschleunigt und Genesung fördert.
Herstellung von Graphen
Seit 2014 wird Graphen in größeren Mengen für kommerzielle Zwecke hergestellt. Neue mikromechanische Techniken haben eine erhebliche Senkung des Preises für diesen Stoff ermöglicht. Die wichtigsten Hersteller sind derzeit die USA und China, wo große Mengen an günstigem, amorphem Graphit zu finden sind.
Premium-Graphen, das in der Elektronikindustrie verwendet wird, muss aus Graphit von ausreichend hoher Qualität hergestellt werden. Dafür sind flache, geordnete, speziell bearbeitete Kristalle benötigt. Der Preis des Materials ist dann entsprechend höher.
Koreanischen Forschern ist es gelungen, eine effiziente und kostengünstige Methode zur Herstellung von Graphen durch Aufdampfen (CVD) zu entwickeln. Der Nachteil dieser Lösung ist eine geringere Materialqualität und häufigeres Auftreten von Fehlern. Bei einigen Anwendungen ist dies jedoch kein Problem.
Auch Polen haben zur Entwicklung innovativer Methoden der Graphenherstellung beigetragen. Das Institut für Technologie Elektronischer Materialien in Warschau hält ein Patent für die Herstellung des Materials aus Siliziumcarbid. 2015 entwickelten Forscher von der Universität Łódź die bahnbrechende HGSM-Technologie, die die Herstellung hochwertiger, großformatiger Blätter aus der Flüssigphase ermöglicht.
Ist Graphen sicher?
Da Graphen ein relativ neues Material ist, bestehen verständliche Zweifel hinsichtlich seiner möglichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Es wird sogar behauptet, dass die dünne und leichte Struktur von Graphen schnell in die Lungen eindringen kann und eine ähnliche Gefahr darstellt wie Staub oder sogar Asbestfasern. In chinesischen Studien wird sogar darauf hingewiesen, dass sich Nanopartikel von zweidimensionalem Kohlenstoff in Organen akkumulieren könnten.
Theoretisch besteht auch das Risiko, dass Graphen durch das Eindringen in Oberflächengewässer und Grundwasser Pflanzen und Tiere schädigt. Seine feinen Partikel können sich an den Rändern von Gewässern absetzen und den Härtegrad des Wassers erhöhen.
Nach heutigem Kenntnisstand ist Graphen jedoch nicht giftig und demonstriert keine Affinität zu gefährlichen Substanzen. Seine Mengen und damit die potenzielle Exposition sind ebenfalls äußerst gering oder sogar vernachlässigbar. Es verursacht keine Reizungen bei Kontakt mit der Haut. Internationale Studien zeigen, dass auch die Inhalation keine nachteiligen immunologischen Reaktionen hervorruft.
In der wissenschaftlichen Gemeinschaft besteht ein allgemeiner Konsens darüber, dass die Eigenschaften und Anwendungen von Graphen, einschließlich seiner Sicherheit, weiter erforscht werden müssen. Dadurch wird es möglich, die Verwendung dieses innovativen Materials im Hinblick auf die langfristigen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu optimieren.
- https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov/compound/Graphene
- https://www.acs.org/education/resources/highschool/chemmatters/past-issues/archive-2012-2013/graphene.html
- https://imif.lukasiewicz.gov.pl/grafen/
- Hebda M., Łopata A., „Grafen-materiał przyszłości”, Czasopismo Techn. Politechniki Krakowskiej, 2012, 22, 45.