Welche allotropen Kohlenstoffmodifikationen gibt es?

In jedem Jahrzehnt werden neue allotrope Kohlenstoffmodifikationen entdeckt. Ihre potenzielle Anzahl wird bereits auf etwa 500 geschätzt. Kein anderes Element auf der Welt ist so vielseitig.

Veröffentlicht: 16-02-2022

Kurzcharakteristik von Kohlenstoff

Kohlenstoff (C) ist ein Element aus der Gruppe der Nichtmetalle mit der Ordnungszahl 6. Das bedeutet, dass es in seinem Kern sechs Protonen und in nicht ionisierter Form dieselbe Anzahl Elektronen enthält. Obwohl es in der Erdkruste relativ selten vorkommt, bildet es mehr Verbindungen als jedes andere Element. Es ist ein Schlüsselelement in allen lebenden Organismen und bildet die Struktur von Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten. In der Atmosphäre findet es sich als Kohlendioxid (CO2), das eine der Phasen des Kohlenstoffkreislaufs in der Natur darstellt.

Was sind allotrope Kohlenstoffmodifikationen?

Die aus Kohlenstoffatomen bestehende Struktur kann verschiedene physische Formen annehmen. Dieses Phänomen wird als allotrope Kohlenstoffmodifikationen bezeichnet.

Allotropie ist ein Phänomen, das einige Metalle und Nichtmetalle betrifft. Sie beruht auf der Existenz verschiedener Varianten eines Elements im gleichen Aggregatzustand, die unterschiedliche chemische und physikalische Eigenschaften aufweisen. Sie können eine kristalline oder molekulare Struktur haben und unterscheiden sich durch die Anzahl der Atome im Molekül.

Die bekanntesten allotropen Kohlenstoffmodifikationen, die in der Natur vorkommen, sind Graphit und Diamant, mit extremen Unterschieden in Farbe, Textur und Weichheit. Darüber hinaus ist es Wissenschaftlern gelungen, unter Laborbedingungen Dutzende weiterer Modifikationen zu züchten.

Graphit – ein vielseitiges Mineral

Graphit, das nicht ohne Grund mit einem Bleistift in Verbindung gebracht wird, ist ein weiches, grauschwarzes Mineral, das sich ölig anfühlt und schmutzt. Außerdem ist es ein hervorragender Strom- und Wärmeleiter, unlöslich in Wasser und besitzt schmierende Eigenschaften. Es existiert in zwei Strukturtypen, hexagonal und trigonal, und seine Atome sind durch ein Netz paralleler Ebenen miteinander verbunden.

Wie andere allotrope Kohlenstoffmodifikationen ist auch Graphit beständig gegen hohe Temperaturen. Es wird zur Herstellung von Elektroden und Schmelztiegeln, feuerfesten Gefäßen und feuerfesten Ziegeln verwendet. Darüber hinaus verwendet man es bei der Herstellung von Schmiermitteln, Korrosionsschutzfarben und Poliermitteln.

In der Natur kommt Graphit in metamorphen Gesteinen wie Graphit- und Kristallschiefer vor. Sein größter Produzent ist derzeit China. Für kommerzielle Zwecke wird Graphit durch Pyrolyse von Anthrazit unter Stickstoffatmosphäre gewonnen.

Diamant – der wertvollste Edelstein

Es ist schwierig, zwei allotrope Kohlenstoffmodifikationen zu finden, die sich stärker voneinander unterscheiden als Diamant und Graphit. Der Diamant ist das härteste Mineral der Welt und wird auf der 10-stufigen Mohs-Skala mit 10 bewertet. Diamanten kommen in Form oktaedrischer oder hexaedrischer Kristalle mit hohem Glanz und partieller Transparenz vor.

Die wertvollsten Diamanten sind farblos, aber aufgrund von Verunreinigungen können sie auch gelb, rosa, blau oder braun gefärbt sein. Sie haben zwar keine elektrische Leitfähigkeit, sind aber gute Wärmeleiter. Auch wenn ihre Oberfläche nur von einem anderen Diamanten zerkratzt werden kann, zeichnen sie sich durch eine relative Zerbrechlichkeit aus.

Natürliche Diamanten kommen vor allem in primären Kimberlit- und Sedimentlagerstätten vor, die durch Umlagerung entstanden sind. Hochwertige Steine werden hauptsächlich für die Herstellung von Schmuck verwendet. Wenn sie entsprechend geschliffen sind, werden sie als Brillianten bezeichnet und erzielen auf dem Weltmarkt schwindelerregende Preise.

Diamanten minderer Qualität und synthetisch gewonnene Kristalle sind auch wichtige Rohstoffe für die Industrie. Aufgrund ihrer Härte werden sie für die Herstellung von Klingen, Bohrern und Schleifmitteln verwendet. Aus Diamanten stellt man zudem Komponenten für medizinische und wissenschaftliche Geräte, Härteprüfgeräte und Wärmeleitpasten her.

Fullerene oder rußhaltige allotrope Kohlenstoffmodifikationen

In der Natur findet man in kleineren Mengen auch Fullerene. Dabei handelt es sich um braune oder schwarze, durchscheinende metallisch glänzende Feststoffe. Ihre Moleküle bestehen aus einer größeren Anzahl von Kohlenstoffatomen – von 28 bis zu 1.500.

Diese erst kürzlich entdeckten allotropen Kohlenstoffmodifikationen bestehen aus vielen verschiedenen Strukturen. Die kugelförmigen C60-Partikel, deren Kristalle auch als „Buckyballs“ bezeichnet werden, gelten als die haltbarsten. Darüber hinaus können Fullerene auch mehrschichtig (sogenannte Nanozwiebeln) oder zylindrisch (sogenannte Nanoröhren) sein.

Fullerene sind chemisch eher inaktiv und unlöslich in Wasser. Sie zeichnen sich durch halbleitende und supraleitende Eigenschaften aus. Daher finden sie breite Anwendung in der Elektronik, Optik, Biomedizin und Nanotechnologie. Besonders hervorzuheben ist ihr antioxidatives und pharmakologisches Potenzial – dank ihrer Struktur und Biokompatibilität können sie als Medikamententräger fungieren.

Fullerene werden hauptsächlich aus Ruß extrahiert. Zu diesem Zweck wird eine Reihe von Lösungsmitteln verwendet, um die Isolierung bestimmter Molekülarten zu ermöglichen. Alternativ können sie auch aus einer anderen allotropen Kohlenstoffmodifikation extrahiert werden, nämlich aus Graphit, der unter Vakuumbedingungen mit Laserstrahlen beschossen wird.

Graphen – zweidimensionaler Kohlenstoff

Eine der zuletzt entdeckten allotropen Kohlenstoffmodifikationen ist Graphen. Es handelt sich um eine flache Struktur aus einzelnen Kohlenstoffatomen, die in Form einer Bienenwabe angeordnet sind. Da es nur ein Atom dick ist, geht man üblicherweise davon aus, dass es sich um ein zweidimensionales Material handelt.

Graphen ist ein hervorragender Wärme- und Stromleiter. Zu seinen größten Vorteilen gehören auch die Transparenz und eine extrem hohe Elektronenflussrate, die sogar höher ist als in Silizium. Darüber hinaus ist Graphen extrem hart und dehnungsbeständig.

Diese Eigenschaften bedeuten, dass Graphen das Silizium in der Elektronikindustrie ersetzen könnte. Zu den derzeitigen und künftigen Anwendungen gehören die Herstellung von Hochgeschwindigkeitstransistoren, versenkbaren Touchscreen-Displays oder Photovoltaikmodulen mit Batterien zur Energiespeicherung. Wie andere allotrope Kohlenstoffmodifikationen kann Graphen als Medikamententräger, als Rohstoff für die Gewebezüchtung und sogar als Mittel zur Krebstherapie eingesetzt werden.

Graphen kann auf viele verschiedene Arten gewonnen werden. Heute werden dafür am häufigsten die Gasphasenabscheidung (PVD) und die thermische Zersetzung von Siliziumkarbid angewandt. Für Laborzwecke nutzt man gelegentlich die ursprüngliche Methode, bei der eine Schicht aus Kohlenstoffatomen mithilfe von Klebeband abgeschält wird.

Cyclocarbon

Eine noch neuere allotrope Kohlenstoffmodifikation als Graphen ist Cyclocarbon. Es hat die Form eines Rings, der aus 18 Kohlenstoffatomen besteht. Unter ihnen befinden sich abwechselnd Einfach- und Dreifachbindungen.

Wie Graphen ist auch Cyclocarbon nur ein Atom dick. Nach ersten Schätzungen scheint es sich bei ihm jedoch um einen Halbleiter zu handeln. Seine anderen Eigenschaften sind noch nicht bekannt.

Forschern zufolge wird es möglich sein, Cyclocarbone mit einer unterschiedlichen Anzahl von Atomen im Ring herzustellen. Zu ihren potenziellen Anwendungsbereichen gehört vor allem die Miniaturisierung elektronischer Geräte.

Weitere allotrope Kohlenstoffmodifikationen

Trotz seiner Allgegenwärtigkeit bleibt Kohlenstoff eines der faszinierendsten Elemente. Nach wie vor wird daran geforscht, um seine Eigenschaften noch besser nutzen zu können. Die allotropen Kohlenstoffmodifikationen erscheinen in dieser Hinsicht besonders vielversprechend.

Ein interessantes Polymer, das bisher noch im Bereich hypothetischer Überlegungen liegt, ist Carbin. Dieser Name bezeichnet eine Kette aus Kohlenstoffatomen mit einer potenziellen Stärke, die 40 Mal höher ist als die von Diamant. Allerdings ist es ein so instabiles Material, dass es bisher nur im Inneren eines Nanoröhrchens hergestellt werden konnte.

Eine weitere vielversprechende allotrope Kohlenstoffmodifikation ist der sogenannte Q-Kohlenstoff. Er hat eine dreidimensionale Struktur, in der die Kohlenstoffatome drei Liganden bilden. Zu seinen möglichen Anwendungen gehört die Verbesserung von Energiespeichermethoden in Lithiumbatterien.

Darüber hinaus kennen wir bereits Kohlenstoff-Nanoschaum, eine poröse kristalline Struktur mit magnetischen Eigenschaften. Eine besondere amorphe allotrope Kohlenstoffmodifikation ist auch der Ruß.

Die Zukunft wird zeigen, wie diese und andere einzigartige Kohlenstoffstrukturen genutzt werden. Dieses Element ist in der Welt reichlich vorhanden, sodass seine technologische Entwicklung die Stabilität der Ressourcen oder die Umwelt nicht gefährden sollte. Es bestehen sogar gute Chancen, dass allotrope Kohlenstoffmodifikationen zu einem besseren Energiemanagement und zur Verbesserung vieler industrieller Prozesse beitragen werden.


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